Donnerstag, 3. Oktober 2019

Hornemann-Recherche

Vorab

Friedrich Konrad Hornemann erkundete gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Auftrag der Londoner African Association Karawanenrouten und Landschaften in Nordafrikas. Nach Durchquerung der Sahara starb er, vermutlich in Bokane (Republik Niger). Schriftliche Berichte über seine Erkundungen gelangten nach Europa. Posthume erschienen seine Reiseberichte, ergänzt und überarbeitet in London, Paris und Weimar.
In Hornemanns Geburtsstadt, Hildesheim, wurde 1896 eine Straße nach ihm benannt. Nationalstolz machte ihn zum "ersten deutschen Afrikaforscher". Seit Mitte des 20.Jahrhunderts erschienen sachlichere Aussagen. Nur wenige Autoren hatten Neues zu berichten. Eine öffentliche Diskussion führte 1997 in Hildesheim zur Neuauflage des Hornemann-Tagebuchs. In den folgenden Jahren, bis 2004, befasste sich die Uni-Hildesheim in vier Symposien mit F.K. Hornemann.



 

Gleichwohl blieben Fragen der Hornemann-Forschung bislang unberücksichtigt. Beispielsweise seine Stellung vor dem Hintergrund der europäischen Afrikaforschung der präkolonialen Zeit. Die Geschichtsschreibung afrikanischer Staaten und Ethnien wurden nur angeschnitten. Stattdessen verlagerten sich die behandelten Themen vom Leben und Werk Hornemanns mehr und mehr auf die aktuelle Situation jener Gebiete, die er einst bereiste oder sich als Reiseziel setzte. 
Hier sollen zur Hornemann-Recherche vorrangig handschriftliche Dokumente dienen, danach erst edierte Schriften des 19. Jahrhunderts. Dazu zählen beispielsweise jene Brieftexte, die im sogenannten Tagebuch Hornemanns Eingang fanden. Zweitrangig werden einige der veröffentlichten Beiträge von Hornemanns deutschen Zeitgenossen bewertet. Dennoch sollen sie in die Quellensammlung aufgenommen werden.






Dienstag, 20. September 2016

Ruthe und die Gendarmen

Spät abends, im Juni 1809 reitet ein Gendarm auf der Land­straße von Emmerke nach Hildesheim. Erst seit rund fünf Monaten gehört das Gebiet zum Königreich Westphalen, regiert von Jerôme Bonaparte, dem jüngsten Bruder Napoleons. 
Der Reitende führt einen gefangenen Deserteur mit sich. Mit einem kurzen Strick an den Händen gefesselt, ein längeres Seil um den Hals geschlungen und am Sattelzeug verknotet, hat der Gefesselte alle Mühe mit dem Pferd schritt zu halten. Dass seine durch die Stricke geschundenen Hautstellen bluten kümmert den Gendarm nicht. Am Seil ziehend und schimpfend treibt er zur Eile an.
Oberhalb von Himmelsthür biegt der Strickreiter von der Landstraße nach rechts ab. Es geht eine kleine Böschung hinauf. Er weiß, dort hinter dem Hölzchen führt ein Pfad geradewegs zum Schäfertor der Vorstadt Moritzberg. Schnell will er das Tor erreichen. Von dort ist es noch eine knappe Stunde bis Hildesheim. Vor Sonnenuntergang will er seinen Gefangenen im Gefängnis abliefern.
Seit Hildesheim nicht mehr das von Preußen besetztes Gebiet des Hannoverschen Königreichs ist, sondern von Bonaparte regiert wird, verbergen sich in Wäldern und an geheimen Orten viele junge Männer. Es sind Deserteure, zwangsweise rekrutierte oder bereits einem französischen Regiment zugewiesene und dann fortgelaufene. In großer Zahl, oft sogar gruppenweise verweigerten diese Männer der ungeliebten Fremdherrschaft Folge zu leisten. Gendarmen sorgten für die Rückführung. Für die Häscher gibt es eine Geldprämie. Die gefangenen Deserteure müssen mit schwerer Haft-, häufig gar mit der Todesstrafe rechnen.
In Hildesheim wird die Gendarmerie von einem Brigadier geführt. Ihm unterstehen sechs berittene Männer, erkennbar an uniformen Kennzeichen. Mit Säbel oder Gewehr bewaffnet, mit Stricken und Stöcken ausgestattet, durchstreiften sie die ihnen zugewiesenen Landstriche des Regierungsdistrikts. Die Gendarmen, wurden oft Distriktreiter oder gemeinhin geringschätzig und abwertend Strickreiter genannt.
Auf dem Weg von Emmerke nach Hildesheim, nahe Himmelsthür, ausgerechnet an der Abzweigung, nach Himmelsthür strauchelt der Gefangene. Der Gendarm schimpft lauthals und zerrt am Strick. Er kümmert sich nicht um die schmerzenden Handgelenke und Wunden des Deserteurs.
Dessen blutenden Hautstellen schmerzen. Das geronnene Blut im Nacken verklebt mit den Fasern des Strickes und bei jeder Bewegung reißt die durchgescheuerte Haut weiter auf. Der Abgeführte schreit. verflucht seinen Peiniger und beschimpft ihn als unmenschlichen Barbaren. Zorn auf der einen Seite, Schmerz und Wut auf der andere, machen die beiden zu Feinden. Blind gegenüber sonstigen Gegebenheiten. Sie laufen in eine Falle.
Alles spielt sich sehr schnell ab. Besonders überrascht es den Strickreiter. Aus dem Gebüsch stürmen vier Männer und fallen über ihn her. Sie reißen ihn vom Pferd. Noch eher er zum Säbel greifen kann, liegt er auf dem Boden. Einer der Männer, allesamt Deserteure, zerschneidet die Fesseln des Gefangenen, raunt ihm zu: „Hau ab Johannes“
Unter groben Flüchen, mit derben Schimpfwörtern und Drohungen wird der verhasste französische Gendarm zu einer Eiche gezerrt. Seine Widersacher reißen ihm den Rock von den Schultern, Stiefel und Hosen von den strampelnden Beinen. Die Männer feixen dabei und verspotten den Überrumpelten. Johannes knotet eine Schlaufe in seinen Strick. Grinsend wirft ihn über einen Ast. Der Gendarm ist starr vor Schreck. Schaudernd blitzt das Bild eines kürzlich erstochen und erschossen im Haseder Holz aufgefundenen Gendarms vor ihm auf. Zitternd fleht er um Verschonung.  
Plötzlich schlägt die feindliche Stimmung um. Heiterkeit, über ein gelungenes Räuber-und-Gendarm-Spiel beherrscht die Szene. Vor Todesangst zitternd entleert sich bei dem einen die Blase. Die anderen grölen. Sie, die sonst stets Unterlegenen, oft verfolgten Deserteure, sehen sich endlich einmal auf der Gewinnerseite. Genugtuung darüber macht sie übermütig. Sie binden den nackten Strickreiter an den Eichenstamm, ziehen die Stricke gewaltig stramm. Die raue Eichenborke presst sich in den Rücken des Gedemütigten. Er sieht, wie sie mit seinen Kleidungstücken herumhüpfend eine Spur bis zur Landstraße markieren. Dort stoßen sie sein Gewehr und den Säbel in die Erde, binden das Pferd daran. Lustig meckern sie wie eine Ziege.
Bei Tageslicht wird man das Tier vom Krehla, der nördlichsten Erhebung der Ortschaft Moritzberg aus sehen können, vielleicht sogar auch vom Schäfertorturm, sagen sie sich.
Während Johannes aus Freude über die unverhoffte Befreiung hüpfend, in Richtung Himmelsthür verschwindet, wenden sich die anderen dem Moritzberg zu, nicht ohne ihrem Opfer mehrfach spöttisch gute Nacht zu zurufen.
Am anderen Morgen sprach sich das Ereignis schnell herum. "Wohl hundert Menschen sollen unter Gelächter, Jubel und Frohlocken von dem nahen Moritzberg nach dem Orte gelaufen seyn, um den Gendarm in dieser Stellung zu begrüßen" schreibt Johann Friedrich Ruthe in seiner Lebenserinnerung. Das Buch , mehr als 400 Seiten stark, erschien 1841 in Berlin im Selbstverlag unter dem Titel Leben, Leiden und Widerwärtigkeiten eines Niedersachsen.  
Diese autobiografische Darstellung umfasst den Zeitraum von Ruthes Geburt in Egenstedt, 1788 bis zum Jahre 1813, dem Ende der Westphälischen Regierung.
Ruthe liefert lebendige Bilder aus seiner Kindheit. In Egenstedt. Auf dem nahegelegenen Gutshof Marienburg erlebt er einige weitgehend unbeschwerte Jahre. Dann ziehen seine Eltern nach Himmelsthür. Der Vater ist als Schweinemeister auf dem nahegelegenen Amtshof Steuerwald tätig.
Ruthes Aussagen über den Schulunterricht in seinem Geburtsort und seine späteren Lehrer in Steuerwald sowie in Hildesheim, sind als Quelle der Schul- und Ortsgeschichte gleichermaßen wertvoll. Seine Nachrichten über durchzogen Gegenden und Aufenthaltsorte könnten für Heimatkundler wichtig sein.
Manche Passagen zeugen von seiner früh einsetzenden Entfremdung gegenüber dem katholischen Glaubensleben. Wenn Ruthes "Buch auch manchmal das Spiel der Phantasie verrät und von irrigen, oft selbst abstoßenden und das religiöse Empfinden verletzende Behauptungen nicht frei ist, so enthält es andererseits" auch lobende Abschnitte über seine Lehrer und Erzieher, erklären Bernhard Gerlach und Hermann Seeland in ihrer Geschichte des Bischöflichen Gymnasium Josephinum in Hildesheim.
Ruthe betont in der Vorrede seines Buches: "meine Beschreibung soll bis in die geringsten Kleinigkeiten nur Wahres enthalten". zugleich erklärt er, weil einige Angaben "sehr delikater Art" seien und um nicht "zu sehr gegen Schicklichkeit und Billigkeit zu verstoßen" könne er "die Namen verstorbener Personen [...] nur selten, der Lebenden aus guten Gründen niemals angegeben."
Auf zusammengereimte Fantasie und Rücksichtslosigkeit deutet das nicht hin, eher auf Rücksichtnahme. Nicht nur bei katholischen Lesern sieht sich der Autor vielleicht in eine Zwickmühle zugeraten. Er schwankt zwischen Wahrheitsliebe und Höflichkeit gegenüber seinen Zeitgenossen. Er will nichts Unwahres schreiben, also verschweigt er bestimmte Details, insbesondere Namen, ebenso manche Einzelheiten, mit denen Leser eindeutige Rückschlüsse auf bestimmte Personen treffen könnten.
Zu diesem Personenkreis zählen auch ihm nahestehende Familienangehörige, in erster Linie sicherlich sein um fünf Jahre älterer Bruder Johannes Lorenz.
Der Autor Johannes Friedrich Ruthe ist überzeugt, dass "Lebensbeschreibungen, wenn sie wirklich nur Wahres enthalten, […] von nicht geringem Werthe [sind, weil] sie einen tiefen Blick ins menschliche Herz gestatten". Wenn unter solchen, in seiner Vorrede genannten Bedingungen, die Namen der nächsten Angehörigen ungenannt bleiben, darf man daraus schließen, dass sie 1841 entweder bereits verstorben waren oder dass es über sie Indelikates, Unschickliches zu sagen gab, etwas von dem der Autor glaubte, dass sie es ihm "sehr übel nehmen dürften".
Sein Vater starb 58-jährig 1808. Damals war seine Mutter 46 Jahre alt. Sie starb 1823. Die Eltern durch Preisgabe belastender Angaben schonen zu wollen entfiel also. Gegenüber seinen acht Geschwister stellt sich das anders dar. Einige lebten beim Erscheinen des Buchs sicherlich noch. Seine jüngste Schwester erwähnt er im Zusammenhang mit einer liebenswerten Begrüßung. Er nennt sie "die kleine Therese". Sie "zählte erst fünf Jahre", als sie ihm versprach niemanden zu verraten, dass er oft heimlich ins Elternhaus kam. Niemand durfte erfahren, dass er durch Unterstützung seiner Mutter einen Unterschlupf bei Familie Rust in Hildesheim gefunden hatte. Sie bewohnte ein Haus in der Klosterstraße. Von dort schleicht sich Ruthe manche Nacht auf die alte Stadtmauer und durch den Graben am Hohen Wall nach Himmelsthür.
Womöglich durch Geschwätzigkeit einer Spielgefährtin der kleinen Therese wird Ruthes Anwesenheit dem Maire des Ortes Himmelsthür gemeldet. Tags darauf zwingt ein Brigadier – vielleicht jener, später an der Trilke verprügelte? – durch repressives Vorgehen die Mutter zur Preisgabe des Aufenthaltsortes ihres Sohnes. Er wird gefasst. Zur Datierung dieser Ereignisse ist ein Blick in das Ortsfamilienbuch Himmelsthür u. Steuerwald hilfreich.
Darin sind ist Ehepaar Ruthe mit neun Kindern aufgeführt. Darunter ein am 27. Februar 1805 geborenes Mädchen namens Maria Magdalena Theresia. Als Therese fünf Jahre alt war schrieb man also 1910.
Zu dieser Zeit ist Ruthe folglich vom Brigadier der Strickreiter gefangengenommen worden. Ruthe soll seinem Regiment in Magdeburg wieder zugeführt werden. Zuletzt hatte er dort in einer Schreibstube seinem Militärdienst nachkommen müssen, sich jedoch alsbald davon gemacht.
Aber statt über die Elbe ins Preußische zu fliehen, wo er als Deserteur des Westphälischen Königs keine Strafverfolgung zu fürchten brauchte, schleicht er nachts durch Wald und Flur bis in seine Heimatstadt. Ohne dort oder bei seiner Verwandtschaft in Höxter dauerhaft bleiben zu können, beginnt eine erneute Wanderung auf heimlichen Wegen.
Schließlich erreicht er die Grenze zu Preußen. In Berlin findet er Unterkunft. Ein seit seiner Kindheit gehegter Wunsch einmal Tierarzt zu werden lenkt ihn zur Hochschule. Durch die Botaniker Rudolphi und Link, beides Hildesheimer, findet Ruthe schließlich Unterstützung. Obgleich völlig mittellos und halb verhungert hört ihre Vorlesungen. Sie verhelfen ihm zu einer bezahlten Tätigkeit im zoologischen Museum. Bald danach obliegt ihm die Betreuung der anatomische Sammlung der Plamannschen Anstalt. Zum Lebensunterhalt und Studium reicht es nicht. Mit all den Nebentätigkeiten überfordert, gerät das Studieren der Tiermedizin ins Hintertreffen. Allein auf sich gestellt, sieht er in Berlin bald keine Chance mehr. So verfällt Ruthe auf die Idee im heimatlichen Umfeld Hilfe zu suchen. Die aktuelle militärische Entwicklung des Ersten Koalitionskriegs und der sich anbahnende Niedergang des Königreichs Westphalen scheint ihm das zu ermöglichen.
Der Schönling Jérôme Bonaparte, als 'König Lustik' verspottet, schickte sich an seine Residenz in Kassel zu verlassen, als sein Militär immer weiter zurückgedrängt wurde. Das war für Ruthe ein willkommener Grund "nach Hildesheim zu eilen." Er folgt den westwärts ziehenden Tross des Braunschweiger Herzogs und sieht 1813 sein "liebes Hildesheim" wieder. Hier verfällt er auf die Idee den Fürstbischof von Hildesheim "um Unterstützung für zwei Jahre zu bitten", um sein Studium in Berlin fortsetzen zu können.
Bei Ruthe heißt es, „Meine Bittschrift war bald abgefasst und mit meinen Zeugnissen dem Fürsten zugesendet". Franz Egon von Fürstenberg Fürstbischof von Hildesheim und Paderborn gewährt ihm Audienz und speist den Bittenden mit einer Zahlungsanweisung über 3 Taler ab.
Ein paar Tage später dürfte dem Bittsteller klar geworden sein, dass er in Hildesheim schon seit Jahren einen schlechten Leumund besaß. Als er nämlich seinen Pass im Rathaus vorlegte, musste er sich folgende Fragen anhören, ob er denn der Ruthe sei, der bei Lutter am Barenberg einen Gendarm aufgehängt habe.
Zur Entlastung führt Ruthe Einzelheiten seiner Flucht an. Beim Lesen der autobiografischen Schrift mögen die Aussagen aus heutiger Sicht zutreffend erscheinen. Ungläubig zeigte sich der Visitator des Reisepasses. Der fragte unverblümt, ob Ruthe denn in dem kleinen Eichenwald bei Harsum einen Gendarm getötet habe? Des weiteren geht er auf einen Vorfall ein, der sich nahe Moritzberg auf der Landstraße von Neuhof nach Hildesheim ereignete und behauptet: "Sie haben den Brigadier mit Hülfe einiger anderer Deserteurs bei der Trölke (oder Trilke, einem Vorwerk nicht fern von Hildesheim) auf grausame Weise durchgepeitscht."
Ruthe erklärt vom letztgenannten Vorkommnis seien ihm zwar Einzelheiten bekannt. Von all dem habe er später einmal in Hildesheim erzählen gehört. Er selbst sei jedoch zur Tatzeit in einem Braunschweiger Gefängnis gewesen. Obwohl er die Vorwürfe damit nicht völlig entkräften konnte, erhält er die amtliche Reiseerlaubnis und verlässt tief enttäuscht Hildesheim – für immer.
Wie erwähnt wird man ihm heute nicht zutrauen an Mord- oder Gewalttaten schuldig zu sein. Irritierend dabei bleibt, dass Ruthes Darstellung der Attacke bei der Trilke gegen den "gefürchteten Brigadier, ein äußerst grausamer Mensch" – so beschreibt er ihn – wie ein Augenzeugenbericht anmutet. Wenn der Autor nicht selbst daran beteiligt war, ist doch wahrscheinlich, dass er aus erster Hand und zeitnah von dem Ereignissen bei der Trilke erfuhr. So heißt heute ein Bachlauf im Ortsteil Moritzberg.
Bei Betrachtungen dieser Schilderung rückt der Bruder, Johannes Lorenz in den Vordergrund. Der Biograf erwähnt ihn nicht in diesem Zusammenhang. Er eine Form, die offenbar brüderliche Verbundenheit aufrecht erhalten soll, zumindest Neutralität zeigt.
So schreibt er an anderer Stelle sein Bruder sei auch desertiert. Ob beide Brüder zu der flüchtenden Gruppe Gefangener gehörten, die bei Lutter am Barenberg von ihren Bewachern verfolgt wurden bleibt ungeklärt. Dabei kam es zu einer ernsthaften Auseinandersetzungen. Ein Gendarm fand dabei den Tod.
Warum zeigt Johann Friedrich Ruthe das so umständlich auf? Nur um der Wahrheit genüge zu tun? Beabsichtigte er seinen Bruder zu entlasten? Um sich selbst von den Vorwürfen im Rathaus zu distanzieren, hatte ein deutlicher Widerspruch genügt, warum nicht ebenso in seiner schriftlichen Darstellung?
Johannes Lorenz Ruthe wurde am 31. Aug. 1783 in Egenstedt geboren, ist aus bisher nicht bekannten Gründen, erst später im Kirchenbuch Steuerwald / Himmelthür eingetragen. War er das Schwarze Schaf in der Familie, das die Familienehre nicht preisgeben durfte?
Eine Verwechselung, vielmehr das Über-einen Kamm-scheren der Brüder Johann Friedrich Ruthe und Joh. Lorenz Ruthe bei den Einwohnern von Hildesheim mag den gegen Joh. Friedrich Ruthe erhobenen Vorwürfen zugrunde gelegen haben. Vorwürfe deren Nachklang ich als Malerlehrling auf dem Moritzberg selbst noch im 20. Jahrhundert spürte, damals jedoch noch ohne Anhaltspunkt für die Ursache. Erklärungsmöglichkeiten zeigten sich mir erst nach der Beschäftigung mit Johann Friedrich Ruthes Lebenserinnerungen.
Seine Ausführungen gehen nicht weit über das zweite Jahrzehnt des 19. Jh. hinaus. Nachfolgendes weisen andere Quellen auf. Der Botanischen Verein der Provinz Brandenburg ehrte sein Mitglied Johann Friedrich Ruthe in einem Nachruf. Für die Allgemeine Deutsche Biographie liefert Ascherson einem Beitrag. Zudem steht seit März 2015 mein ausführlicher Beitrag in Wikipedia.
Zu Joh. Friedrich Ruthe siehe auch meinen Beitrag in myHeimat

Sonntag, 12. Juli 2015



Unbekanntes Flugobjekt

Es sind schon einige Jahre vergangen, als mir auf meiner Gartenbank zum ersten Mal etwas Grünes, mit diesem unverkennbaren Insektenfluggeräusch um den Kopf schwirrte.
Die typisch abwehrende Bewegungen, die ein solches Gesumme normalerweise auslöst unterblieb aus Neugier. Etwa derart summendes kann doch nicht so grün sein. Ein grüner Käfer kann es sich auch nicht handeln. Käfer brummen, summen aber nicht.
Dann brach das Geräusch ab und ich sah soeben noch eine Bewegung am Rand eines Pflanzgefässes. Aufgepasst. Da gab es ein Einflugloch. Aufgepasst, es regte sich etwas, schoss schnell aus dem Erdloch. Es war nicht grün. verschwand aber mit dem schon bekannten Summton.
Ein Insekt ohne Zweifel, aber kein grüner Käfer.
Ich rückte meine Terrassenliege näher an den Pflanzenkübel, legte mich auf die Lauer. Hörte das Geräusch näher kommen, anhalten, sich entfernen und sah etwas Grünes heran fliegen, im Loch verschwinden. Aber das Grün stammte nicht von farbigen Flügeln, sondern schien die Unterseite des Insekts zu bilden.
Von meinem Beobachtungsposten aus überwachte ich nun nicht mehr den Landeplatz sondern die Anflugzone des UFOs. Ich sah zunächst nichts Aufregendes. Einige Bienen summten im Laub der Kornelkirche. Was treiben die dort. Der Baum blüht doch noch gar nicht. Dann fiel mir auf, dass einige Blätter beschädigt, am Rand abgefressen waren. Solche Spuren hinterlassen Raupen, wie ich durch meine Schmetterlingsstudien wusste.
Dann sah ich eine Biene am Blattrand nagen. Nein sie sägte, wie mit einer Stichsäge schnitt sie ein rundes Stück heraus, klemmte es mit den Beinen unter ihren Körper und summte damit in Richtung Terrasse.
Daraufhin beschäftigte ich mich auch mit Blättern, suchte in verschiedenen einschlägigen Büchern eine Erklärungen für meine Beobachtungen. Jetzt weiß ich einiges über die Blattschneidebiene. Ein entsprechender Artikel bei Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Blattschneiderbienen zeigt mir sogar gute Fotos, viel bessere als ich sie mit meinen bescheidenen Möglichkeiten machen könnte.
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Dienstag, 19. Juni 2012

Flüchtlings-Schicksale

Nach der verheerenden Bombardierung von Hildesheim, am 22. März 1945 fanden meine Eltern und ich in Rössing bei Verwandten Unterkunft, erst ein Jahr später zogen wir eine eigene Mietwohnung. Mein Wohnaufenthalt in Rössing dauerte nur relativ kurze Zeit, nämlich von 1945 – 1954. Da das aber zugleich prägende Jahre vom Übergang meiner Kindheit zum Heranwachsenden (Halbstarken) waren, ist mir Rössing ein Stück Heimat geworden und bis heute geblieben.

Der Begriff Heimat erinnert mich an eine Begegnung während eines Schlesier / Flüchtlingstreffens auf den Terrassen der Gaststätte oberhalb von Schloss Marienburg bei Nordstemmen.

Mein Vater und ich waren eigentlich nur wegen des schönen Wetters nach einem Fahrradausflug dort gelandet.  Das mag etwa um 1950 gewesen sein. An einem Tisch, nahe der Bühne in der Musikmuschel, fanden wir noch zwei freie Stühle, saßen kaum, als fast alle anderen aufstanden und gingen.

Die Reden und Darbietungen waren beendet. Das bedauerten wir nicht. Wir gehörten ja weder zu den Vertrieben noch zu den Flüchtlingen.

Mein leutseliger Vater sprach einen am Nachbartisch zurück gebliebenen Gast an. Es schien, als wolle der sich unauffällig eine Träne aus den Augen wischen.

Sie sind sicherlich auch zum Heimattreffen hier hergekommen, um an glücklichere Jahre in ihrer Heimat erinnert zu werden.“

Nee, nee ich habe gar keine Heimat.“

Aber woher kommen sie denn?“

Aus Rössing“, sagte der Heimatlose, stand auf und ließ uns, seine Leidensgenossen, allein.

Samstag, 26. Mai 2012

Pfingstochse

Es hat schon so seine Eigenarten, das Pfingstfest.
In den Jahre ein wenig aus dem Ruder gelaufen, als willkommene Freizeit vom Arbeitsalltag zum Urlaubstag mutiert, mehr ist es auch für viele Christen nicht.
Von ganz unterschiedlichen Seiten gab in den letzten Tagen dazu Aussagen.
  • Eine Umfrage, ob christliche Feiertage nur für Kirchenmitglieder arbeitsfrei sein sollten? --> siehe
  • Die Comedy-Diskussion über ein "Eventpfingsten", denn Pfingsten fällt im Rahmen der anderen Feiertage aus der Reihe: "Kein Stress, keine Geschenke: Pfingsten ist eventmäßig vollkommen verpennt worden. Dabei könnte echt Feeling aufkommen, wenn der Pfingstochse Geschenke bringen würde." --> siehe
  • "Glauben ist Privatsache, Staat und Kirche sollten getrennt werden", ein seitens laizistischer Sozis genanntes politisches, längst im Grundgesetz verankertes Ziel lässt andere aufschreien:"Um Gottes Willen!" --> spiegel.de
  • "Mittlerweile leben in der EU mehr Muslime und Muslimas als belgische StaatsbürgerInnen. Diese Realitäten wollen viele weiterhin verkennen. Dabei könnte eine entsprechende Integration unseren Kontinent davor bewahren, zum Schauplatz eines bitteren Kulturkampfes zu werden."
Gott sei Dank! ist der christlich-muslimische Dialog in den letzten Jahren durch den Ökumenischen Kirchentag vorangekommen. Siehe dazu den Beitrag des Verfassungsschutzrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde. Er zeigt die Problematik der Einführung eines islamischen Feiertags in Deutschland auf. 


Dienstag, 25. Oktober 2011

Spieglein, Spieglein …

Das eigene Spiegelbild bereitet echten Schlipsträgern beim Binden ihrer Krawatte kaum Schwierigkeiten. Vor dem Spiegel achten sie weder darauf, was die rechte, noch was die linke Hand tut. Ungeübte Binder geraten da schon eher in Verwirrung, verlieren vor dem Spiegelbild die Orientierung, wenn sie die Bewegungsabläufe ihrer Hände kontrollieren.
 
Sonntagmorgens, beim gemütlichen Hantieren mit Rasierschaum und Klinge, überfiel mich unversehens ein schwerwiegendes Problem. Warum verwechselt der Spiegel eigentlich die Seiten meines stoppelbärtigen Gesichts? Die rechte Wange wird im Spiegel zur linken und die linke zur rechten. Der Spiegel vertauscht offenbar rechts und links; sollte er dann nicht ebenso oben und unten umkehren?
Warum tut er das aber ganz offensichtlich nicht?
Fragen sind manchmal wie durch belanglose Musik aus dem Radiowecker angeregte Ohrwürmer. Sie geistern eine zeitlang unentwegt im Kopf herum, lassen sich nicht ignorieren. Fragen verlangen schlüssige Antworten. Dann erst geben sie Ruhe.
Noch einmal zurück zum Spiegel: ist vollkommen eben. Wenn er meine rechte und linke Seite vertauscht, warum bleibt das Oben oben?
Das Rechts-Links-Problem verwirrt meine Hirnwindungen. Jetzt bin ich mit der Rasierklinge ans Ohrläppchen geraten. Es blutet. Für Sekunden tritt die Rechts-Links-Frage in den Hintergrund. Einen Moment nur, dann meint der fragende Ohrwurm:
Wenn Radioastronomen künftig einmal Signale von intelligenten Außerirdischen empfangen und mit jenen fernen Wesen kommunizieren sollten, wie erklären sie ihnen unser rechts und links?
Ein möglicher Funkdialog:
"Erdling, was meinst du mit links?"
"Links ist da, wo Dein Daumen rechts ist."
"Alle meine drei Daumen sind grün, kein einziger ist rechts."
Das würde also nicht zum Ziel führen! oben und unten wäre viel einfacher zu erklären. Da hilft die im gesamten All wirkende Schwerkraft. Auch auf anderen Planeten landet ein herabfallendes Marmeladenbrot immer mit der belegten Seite auf dem Teppich. Also könnte man dem grünen Männchen leicht erklären: Unten ist dort, wo das Marmeladenbrot landet, nach dem es oben den Halt verlor.
Das Oben-Unten-Problem ist lösbar.
Es macht durchaus Sinn, spiegelbildliche Seiten unterschiedlich zu benennen. Wir Erdenbürger einigten uns auf die Wörter rechts und links. Die Wortbedeutungen zu definieren gelingt allerdings nur bei einen eindeutigen Bezugspunkt. Der muss im Gespräch von beiden Komunikanten sichtbar sein. Sonst kann man nicht erklären, was  als rechte bzw. linke Seite einer Symmetriehälfte bezeichnen. Schließlich sind beide Seiten irgendwie gleich, nicht anders unterscheidbar als durch die vereinbarte willkürliche Benennung.
Symmetrie wird zumeist als angenehm empfunden. Sie schafft Gleichgewicht, einen Ausgleich zwischen Gegensätzen. Rechte und Linke, das sind eigene Welten, unterschiedlich wie das da oben und jenes da unten. Nur viel schwieriger zu vermitteln.
Alles ist gleich, nur andersherum, stellte Alice fest, als sie durch den Spiegel in eine andere Welt trat. Alles ist austauschbar. Ich benenne: rechts und links, unten und oben, Nord und Süd, arm, und reich. Welche Bedeutung messe ich diesen Gegensätzen bei? – und wie steht es mit den beiden Begriffen Leben und Tod? – Wenn uns manche Religionen glauben machen, es gäbe ein Weiterleben nach dem Tod, verwischen sie die Unterschiede, zeichnen Trugbilder wie mein Rasierspiegel.
Alltags finde ich beim Rasieren keine Zeit für solche Gedanken. Ob ich am kommenden Sonntag erneut gedankenvoll mein Spiegelbild betrachte – oder die Augen vor der Wirklichkeit verschließen werde? Wahrscheinlich werde ich fragen, sehe ich überhaupt die Wirklichkeit, und wenn ja, welche?
Am Frühstückstisch versuche ich mein Problem zum Gesprächsthema zu machen.
„Mich interessiert , warum der Spiegel nur rechts und links, nicht aber auch oben und unten vertauscht!“
„Weil du sonst deine Beine rasieren würdest!“
Die Antwort lässt mich das schrinnende Ohrläppchen vergessen. Blutete eigentlich das rechte oder das linke?



















Montag, 3. Oktober 2011

Heinrich Adolph (1836-1914)

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In seiner Autobiographie 'Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen' schildert Pastor Adolph authentische Bilder von lokalhistorischer Bedeutung. Nordstemmen, Hildesheim, besonders aber Heinde und dessen Nachbarorte sind in diesem Zusammenhang zu nennen, auch Vienenburg und ebenso Heiligenfelde bei Syke; nicht zu vergessen sind Himbergen in der Lüneburger Heide sowie Adolphs Studienorte Loccum und Göttingen.
Seine Erinnerungen, 1907 als Buch erschienen, lenken die Blicke des interessierten Lesers auf sozial- und kirchengeschichtliche Wandlungen des 19. Jahrhunderts.

Nach öffentlicher Konfrontation mit dem Liberalismus erfährt der orthodox gesinnte Pastor Adolph, die gesellschaftlichen Veränderungen als schmerzhaften Umbruch. Seine glückliche Zeit in der evangelischen Kirchengemeinde Heinde endet mit einer Versetzung. Über die wahren Gründe und den Ort seiner Versetzung schweigt seine als Ego-Dokument zu wertende Schrift und regt somit zu Nachforschungen über den Lebenslauf von Heinrich Adolph an.
Biographische Daten
Heinrich Konrad Christian Philipp Adolph, am 17. Dezember 1836 geboren, erlebte seine frühe Kindheit im Pastorenhaus seines Geburtsortes Nordstemmen in der Obhut seiner Eltern. (1) Spät erst, im Alter von dreieinhalb Jahren sprach er sein erstes Wort und kämpfte wohl stets mit "einer schweren, ungefügigen Zunge" (Erinnerungen, S.2).

(1)  Mutter: Johanne Dorothe Amalia Adolph, geborene Schmidt (geb. 3.9.1803 in Greene, gest. 4.9.1880 in Hannover). Vater: Johann Heinrich Carl Adolph (geb. 22.2.1801 in Bockenem, gest. 1873 in Heiligenfelde)
Als sein Vater 1847 seine Pfarrstelle in Nordstemmen verließ und nach Heiligenfelde übersiedelte, gehörten zur Familie 10 Kinder (2). Heinrich, obwohl erstgeborener Sohn, fiel keine dominante Rolle innerhalb der Kinderschar zu, also auch nicht gegenüber seinen jüngeren Geschwistern.

(2) Innerhalb von 14 Jahren gebar Amalia Adolph 12 Kinder. Zwei Mädchen starben im ersten Lebensjahr. Die in Adolphs "Erinnerungen" aufgeführten Hinweise auf seine Geschwister bleiben undeutlich,ließen sich jedoch anhand von Kirchenbucheintragungen klären.
Zusammen mit seinem um 3 Jahre jüngeren Bruder Karl (3) verließ Heinrich Adolph 1852 das Elternhaus, um das Gymnasium Andreanum in Hildesheim zu besuchen. Obwohl zuvor allein vom Vater unterrichtet, bestanden die Brüder die Aufnahmeprüfung und wurden, wenn auch nicht ohne Vorbehalt, in die Tertia aufgenommen. Heinrich war damals bereits fast 16 Jahre alt.
1857 schrieben sich die beiden Brüder in Göttingen ein. Während Karl die Fächer Mathematik und Naturwissenschaft wählte, entsprach Heinrich dem väterlichen Wunsch und wandte sich der Theologie zu.

(3) Gottfried Wilhelm Carl Adolph (geb. 8.4.1839, gest. 3.1.1880) Astronom, war  1861 Beobachter am Pulkowa Observatorium (Petersburg) und von1862 bis 1863 ebenso in Königsberg tätig, Er promovierte 1873, führte heliometrische Messungen in Straßburg aus und nahm an der Expedition zur Beobachtung des Venus-Durchgangs vom 9. Dezember 1874 in China teil.
1861 schloss Heinrich Adolph sein Studium in Göttingen ab (4) und unterrichtete in den drei folgendeni Jahren  als Hauslehrer die Kinder eines Domänenpächters in Vienenburg. Die Leitung einer dort geplanten Privatschule zu übernehmen, reizte ihn offenbar nicht. Der Wunsch, wie sein Vater, Pastor zu werden, führte ihn nach Hannover. Dort absolvierte er 1864 das erste Staatsexamen.

(4) Zwei Jahre später beginnt der jüngster seiner Brüder, Georg Ernst Adolph (geb. 11. 10.1843, gest. 15.7 1922) an der Geogia Ausgusta Naturwissenschaften zu studieren. Er veröffentlicht 1880 eine Arbeit zur Morphologie von Hautflüglern.
Es folgten zwei Jahre, die er als Hospitant in Loccum erlebte und in denen er eine Ausbildung im Kooperatoren-Seminar in Hannover wahrnahm. Schließlich wurde Adolph als Kollaborator in Himbergen (Lüneburger Heide) eingesetzt. Am 11. 10 1866 traf er dort ein, gewann aber kein Vertrauen in der Gemeinde und litt Monate lang unter psychischer und physischer Belastung.




Welchen Umständen er seine erste Pastorenstelle verdankte, ist nicht bekannt, wohl aber, dass er sich im Januar 1867 in Heinde bei Hildesheim mit einer Probepredigt der Kirchengemeinde vorstellte und umgehend die Zusage des Kirchenpatrons (6) erhielt. So konnte er eine seit Jahren vakante Pastorenstelle einnehmen.(7) Am 15. Februar 1867 bezog er, das schöngelegene Pastorenhaus in Heinde, zusammen mit seiner Schwester Charlotte (8), die ihm bis zu seiner "Verheiratung den Haushalt führte". (S.225)
(6)  Graf Wallmoden-Gimborn
(7) Zum Kirchdorf Heinde gehörten die Filiale Listringen, der weit außerhalb von Ortschaften, aus Herrenhau, Wirtschaftsgebäuden und Park bestehende Sitz des Patrons, sowie die ebenfalls abseits gelegene Mordmühle.  Zusammen mit den evangelisch-lutherischen Bewohnern der überwiegend katholisch geprägten Dörfer Hockeln, Groß und Klein Düngen,  betreute Adolph eine Gemeinde von etwa 1100 Seelen.
(8) Henriette Charlotte Marie Adolph (geb. 20.9.1835 in Nordstemmen)

Wo und wann Pastor Adolph heiratete verschweigt er in seinem Buch. Adolph erwähnt nur, dass seine Frau  von 1864 bis 1866 in Mitau, Kurland, als Erzieherin tätig war, Anfang August 1867 ein Mädchen gebar, das im ersten Lebensjahr stirbt, drei weitere Geburten folgen. Die Namen von Ehefrau und  Kindern erfährt der Leser der "Erinnerungen" nicht.
Trotz mancher Schicksalsschläge zählt Adolph die ersten Jahre seines Aufenthalts in Heinde zu den glücklichsten seines Lebens.
Im August 1869 fand seine strapazierte Gesundheit während eines vierwöchigen Aufenthalts in Karlsbad Erholung. Nach Heinde zurückgekehrt beginnen berufliche Schwierigkeiten, hervorgerufen durch eine öffentlichen Stellungnahme zur  Kirchenpolitik. Mit Äußerungen gegen die  liberalen Bewegung gerät er in Schwierigkeiten. 
Eine Bewerbung um eine Pastorenstelle in Hannover schlägt fehl. In Hildesheim meldet eine Zeitung im Mai 1873, dass sich Pastor Adolph bei seiner "Wahlpredigt in der Aegidienkirche in Hannover" eines Plagiat schuldig gemacht habe. 


Von 1876 bis 1879 ist er Pastor in Jerstedt, danach in Bevensen bei Braunschweig.(3) Einzelheiten dazu erwähnt Adolph in seinen Erinnerungen nicht.

(3)  MEYER,  Die Pastoren der Landeskirchen Hannover und Schaumburg-Lippes seit der Reformation,  Bd. 2
1901 vollendet er das Manuskript seiner Lebensbeschreibung, bietet es dem Reichsboten zur Veröffentlichung an, der Teile davon übernimmt, und findet schließlich bessere Möglichkeiten der Veröffentlichung. Im Verlag von Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig, erscheinen 1907 die Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen.
Diese Memoiren, von nicht geringer regional- und sozialgeschichtlichen Bedeutung, brechen in der kritischen Lebensphase unvermittelt ab, erwähnen nur knapp einige geringfügige Ereignisse der Jahre bis 1901. Deshalb erscheint es reizvoll, einigen von Adolph vernachlässigten Punkten nachzugehen.
Werke:
Wie hat sich die Kirche gegen die Verächter der Taufe und Trauung zu verhalten? - Vortrag gehalten auf der Inspektoren-Synode in Lehre. Braunschweig (Wollermann) 1885
Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen.
Bielefeld, Leipzig 1907