Montag, 3. Oktober 2011

Heinrich Adolph (1836-1914)

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In seiner Autobiographie 'Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen' schildert Pastor Adolph authentische Bilder von lokalhistorischer Bedeutung. Nordstemmen, Hildesheim, besonders aber Heinde und dessen Nachbarorte sind in diesem Zusammenhang zu nennen, auch Vienenburg und ebenso Heiligenfelde bei Syke; nicht zu vergessen sind Himbergen in der Lüneburger Heide sowie Adolphs Studienorte Loccum und Göttingen.
Seine Erinnerungen, 1907 als Buch erschienen, lenken die Blicke des interessierten Lesers auf sozial- und kirchengeschichtliche Wandlungen des 19. Jahrhunderts.

Nach öffentlicher Konfrontation mit dem Liberalismus erfährt der orthodox gesinnte Pastor Adolph, die gesellschaftlichen Veränderungen als schmerzhaften Umbruch. Seine glückliche Zeit in der evangelischen Kirchengemeinde Heinde endet mit einer Versetzung. Über die wahren Gründe und den Ort seiner Versetzung schweigt seine als Ego-Dokument zu wertende Schrift und regt somit zu Nachforschungen über den Lebenslauf von Heinrich Adolph an.
Biographische Daten
Heinrich Konrad Christian Philipp Adolph, am 17. Dezember 1836 geboren, erlebte seine frühe Kindheit im Pastorenhaus seines Geburtsortes Nordstemmen in der Obhut seiner Eltern. (1) Spät erst, im Alter von dreieinhalb Jahren sprach er sein erstes Wort und kämpfte wohl stets mit "einer schweren, ungefügigen Zunge" (Erinnerungen, S.2).

(1)  Mutter: Johanne Dorothe Amalia Adolph, geborene Schmidt (geb. 3.9.1803 in Greene, gest. 4.9.1880 in Hannover). Vater: Johann Heinrich Carl Adolph (geb. 22.2.1801 in Bockenem, gest. 1873 in Heiligenfelde)
Als sein Vater 1847 seine Pfarrstelle in Nordstemmen verließ und nach Heiligenfelde übersiedelte, gehörten zur Familie 10 Kinder (2). Heinrich, obwohl erstgeborener Sohn, fiel keine dominante Rolle innerhalb der Kinderschar zu, also auch nicht gegenüber seinen jüngeren Geschwistern.

(2) Innerhalb von 14 Jahren gebar Amalia Adolph 12 Kinder. Zwei Mädchen starben im ersten Lebensjahr. Die in Adolphs "Erinnerungen" aufgeführten Hinweise auf seine Geschwister bleiben undeutlich,ließen sich jedoch anhand von Kirchenbucheintragungen klären.
Zusammen mit seinem um 3 Jahre jüngeren Bruder Karl (3) verließ Heinrich Adolph 1852 das Elternhaus, um das Gymnasium Andreanum in Hildesheim zu besuchen. Obwohl zuvor allein vom Vater unterrichtet, bestanden die Brüder die Aufnahmeprüfung und wurden, wenn auch nicht ohne Vorbehalt, in die Tertia aufgenommen. Heinrich war damals bereits fast 16 Jahre alt.
1857 schrieben sich die beiden Brüder in Göttingen ein. Während Karl die Fächer Mathematik und Naturwissenschaft wählte, entsprach Heinrich dem väterlichen Wunsch und wandte sich der Theologie zu.

(3) Gottfried Wilhelm Carl Adolph (geb. 8.4.1839, gest. 3.1.1880) Astronom, war  1861 Beobachter am Pulkowa Observatorium (Petersburg) und von1862 bis 1863 ebenso in Königsberg tätig, Er promovierte 1873, führte heliometrische Messungen in Straßburg aus und nahm an der Expedition zur Beobachtung des Venus-Durchgangs vom 9. Dezember 1874 in China teil.
1861 schloss Heinrich Adolph sein Studium in Göttingen ab (4) und unterrichtete in den drei folgendeni Jahren  als Hauslehrer die Kinder eines Domänenpächters in Vienenburg. Die Leitung einer dort geplanten Privatschule zu übernehmen, reizte ihn offenbar nicht. Der Wunsch, wie sein Vater, Pastor zu werden, führte ihn nach Hannover. Dort absolvierte er 1864 das erste Staatsexamen.

(4) Zwei Jahre später beginnt der jüngster seiner Brüder, Georg Ernst Adolph (geb. 11. 10.1843, gest. 15.7 1922) an der Geogia Ausgusta Naturwissenschaften zu studieren. Er veröffentlicht 1880 eine Arbeit zur Morphologie von Hautflüglern.
Es folgten zwei Jahre, die er als Hospitant in Loccum erlebte und in denen er eine Ausbildung im Kooperatoren-Seminar in Hannover wahrnahm. Schließlich wurde Adolph als Kollaborator in Himbergen (Lüneburger Heide) eingesetzt. Am 11. 10 1866 traf er dort ein, gewann aber kein Vertrauen in der Gemeinde und litt Monate lang unter psychischer und physischer Belastung.




Welchen Umständen er seine erste Pastorenstelle verdankte, ist nicht bekannt, wohl aber, dass er sich im Januar 1867 in Heinde bei Hildesheim mit einer Probepredigt der Kirchengemeinde vorstellte und umgehend die Zusage des Kirchenpatrons (6) erhielt. So konnte er eine seit Jahren vakante Pastorenstelle einnehmen.(7) Am 15. Februar 1867 bezog er, das schöngelegene Pastorenhaus in Heinde, zusammen mit seiner Schwester Charlotte (8), die ihm bis zu seiner "Verheiratung den Haushalt führte". (S.225)
(6)  Graf Wallmoden-Gimborn
(7) Zum Kirchdorf Heinde gehörten die Filiale Listringen, der weit außerhalb von Ortschaften, aus Herrenhau, Wirtschaftsgebäuden und Park bestehende Sitz des Patrons, sowie die ebenfalls abseits gelegene Mordmühle.  Zusammen mit den evangelisch-lutherischen Bewohnern der überwiegend katholisch geprägten Dörfer Hockeln, Groß und Klein Düngen,  betreute Adolph eine Gemeinde von etwa 1100 Seelen.
(8) Henriette Charlotte Marie Adolph (geb. 20.9.1835 in Nordstemmen)

Wo und wann Pastor Adolph heiratete verschweigt er in seinem Buch. Adolph erwähnt nur, dass seine Frau  von 1864 bis 1866 in Mitau, Kurland, als Erzieherin tätig war, Anfang August 1867 ein Mädchen gebar, das im ersten Lebensjahr stirbt, drei weitere Geburten folgen. Die Namen von Ehefrau und  Kindern erfährt der Leser der "Erinnerungen" nicht.
Trotz mancher Schicksalsschläge zählt Adolph die ersten Jahre seines Aufenthalts in Heinde zu den glücklichsten seines Lebens.
Im August 1869 fand seine strapazierte Gesundheit während eines vierwöchigen Aufenthalts in Karlsbad Erholung. Nach Heinde zurückgekehrt beginnen berufliche Schwierigkeiten, hervorgerufen durch eine öffentlichen Stellungnahme zur  Kirchenpolitik. Mit Äußerungen gegen die  liberalen Bewegung gerät er in Schwierigkeiten. 
Eine Bewerbung um eine Pastorenstelle in Hannover schlägt fehl. In Hildesheim meldet eine Zeitung im Mai 1873, dass sich Pastor Adolph bei seiner "Wahlpredigt in der Aegidienkirche in Hannover" eines Plagiat schuldig gemacht habe. 


Von 1876 bis 1879 ist er Pastor in Jerstedt, danach in Bevensen bei Braunschweig.(3) Einzelheiten dazu erwähnt Adolph in seinen Erinnerungen nicht.

(3)  MEYER,  Die Pastoren der Landeskirchen Hannover und Schaumburg-Lippes seit der Reformation,  Bd. 2
1901 vollendet er das Manuskript seiner Lebensbeschreibung, bietet es dem Reichsboten zur Veröffentlichung an, der Teile davon übernimmt, und findet schließlich bessere Möglichkeiten der Veröffentlichung. Im Verlag von Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig, erscheinen 1907 die Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen.
Diese Memoiren, von nicht geringer regional- und sozialgeschichtlichen Bedeutung, brechen in der kritischen Lebensphase unvermittelt ab, erwähnen nur knapp einige geringfügige Ereignisse der Jahre bis 1901. Deshalb erscheint es reizvoll, einigen von Adolph vernachlässigten Punkten nachzugehen.
Werke:
Wie hat sich die Kirche gegen die Verächter der Taufe und Trauung zu verhalten? - Vortrag gehalten auf der Inspektoren-Synode in Lehre. Braunschweig (Wollermann) 1885
Erinnerungen eines niedersächsischen Geistlichen.
Bielefeld, Leipzig 1907